Freitag, 28. Januar 2011

Die täglichen Gemeinheiten gegen Familien

Iris hat uns heute eine wahre Geschichte geschickt, die uns alle ein wenig nachdenklich machen sollte. Ihre Kinder und sie haben am eigenen Leib erfahren, dass Familien heute oft als störend empfunden werden.

Morgens voll gepackt (Handtasche, Notebooktasche, zwei Kinder-Rucksäcken, die Sporttasche der Kinder, meine Sporttasche) mit zwei kleinen Kindern (2 und 4) auf dem Weg zum Zug.

Es hat geschneit, natürlich war um 6.45 Uhr noch kein Räumdienst in Sicht. Im 15 cm hohen Schnee am Bahnsteig blockieren die Räder des Buggy-Kinderwagens. Es hilft nichts, der Kleine muss selber laufen. Ich hänge mir alle Taschen irgendwie um, hebe den Kinderwagen hoch und trage ihn. Einstweilen fährt der Zug ein, die Große ist schon vorne, der Kleine kämpft gegen den – für ihn schienbeinhohen – Schnee, fällt immer wieder hin, weint. Ich tu mein Bestes, hab aber beim besten Willen keine Hand mehr für ihn frei. Im Schneckentempo kämpfen wir uns nach vorne, meine Arme werden schwer, der Kleine ist am Limit, die Große nervös. Der Zug setzt sich in Bewegung, da bemerkt uns der Lokführer und wartet dankenswerterweise auf uns.

Wir steigen ein. Beide Kinder weinen mittlerweile, ich bin am Ende, ringe nach Luft. Ich werfe alle Taschen irgendwie auf den nassen Boden, wische Tränen ab, versuche wieder Kontrolle über die Situation zu gewinnen. „Möchten Sie sich vielleicht setzten?“, meint eine weibliche Stimme. Ich blicke auf und werde mir der Situation im Zug richtig bewusst:

Der Zug ist voll besetzt, Dutzende Menschen mussten unsere Schwierigkeiten mitverfolgt haben. KEINER hat sich bemüht, den Zug noch ein paar Sekunden lang aufzuhalten, geschweige denn mir dabei zu helfen, Kinderwagen und Kinder in den Zug zu heben. KEINER hat daran gedacht, mir eventuell eine der Taschen abzunehmen, nicht einmal ein aufbauendes Lächeln hatte jemand parat. Von gut fünfzig Personen, die in unserer unmittelbaren Nähe gesessen sind, hat uns eine einzige Person ihren Sitzplatz angeboten. Der Rest hat entweder angestrengt aus dem Fenster gestarrt oder mir ganz offen ins Gesicht geschaut und signalisiert, dass es im Grunde sehr störend ist, dass man einen Schritt zur Seite gehen muss, damit eine Familie samt Kinderwagen und Gepäck noch reinpasst. Das macht sprachlos.

Dieses Erlebnis heute war extrem, weil viel zusammengekommen ist. Doch wie oft stößt man als Familie mit kleinen Kindern auf Ablehnung. Eine solche Reaktion verstehe ich, wenn ich die Kinder spätabends in einem schönen Restauraunt Radau schlagen lassen würde, oder in einem Krankenhaus oder Wellnesshotel – in manchen Situationen haben Kinder meiner Meinung nach im Normalfall nichts verloren. Doch dass die bloße Anwesenheit im Alltag als störend empfunden wird, sprengt das Maß. Kinder sind unsere Zukunft, sie zahlen die Pensionen von morgen und werden die Alten von morgen pflegen. Ist nicht ein wenig Toleranz angebracht? Und davon abgesehen: Ich vermisse ein Mindestmaß an Hilfsbereitschaft. 

Eine Gesellschaft definiert sich dadurch, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Wie geht unsere Gesellschaft mit Kindern, Behinderten, Alten um? Wäre es nicht dringend an der Zeit, einmal über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen? Vielleicht einfach mal anderen zu helfen, ohne dabei den unmittelbaren Nutzen für sich selbst im Auge zu haben?

Ich ärgere mich, dass ich heute nicht meinem Ärger im Zug Luft gemacht habe. Ich möchte versuchen, in Zukunft nicht sprachlos zu bleiben. 

1 Kommentar:

  1. Leider ist es beinah überall so. Selbst in nicht gestressten Situationen. Familie hat keinen Stellenwert mehr, und als Mutter die zu Hause bei den Kindern ist, bist du sowieso nichts, weil "da tust eh nix als Zhaus sitzen"

    SCHADE! Denn genau DAS zeigt den Wert unserer Gesellschaft!

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